Hoher Stromverbrauch und steigende Energiekosten fordern von Rechenzentren höchste Energieeffizienz.
Wachsende Datenmengen und erhöhte Rechenanforderungen zahlreicher Unternehmen wandern heute in Hochleistungsrechenzentren. Ein solches errichtet aktuell die Hartl Group im niederbayerischen Hofkirchen. Anfang 2016 wird es in Betrieb gehen.
Unverzichtbar: Die Klimatisierung des Rechenzentrums. Die im IT-Raum freiwerdende Wärme muss so effizient wie möglich aus dem Rechenzentrum abgeführt werden. Betriebssicherheit und Zuverlässigkeit bei Extrembedingungen haben hier ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert. Peter Hartl, Bauherr und Inhaber der Hartl Group, hat sich hier für eine innovative Lösung entschieden.
Maßgeblich beteiligt an der Umsetzung der Kühllösung ist Anton Immerz, Diplom Ingenieur und Key Application Manager Data Center bei der Munters GmbH. Im Interview erklärt er, wie die Kühllösung funktioniert und welche Vorteile sie gegenüber alternativen Technologien bietet.
Frage: Wo liegt in etwa der Energieverbrauch eines durchschnittlichen Rechenzentrums?
Anton Immerz: Ich würde mich hier eher auf den PUE (Power Usage Effectivness) Wert beziehen. Der PUE-Wert ergibt sich aus dem Gesamtenergieverbrauch des Rechenzentrums und dem IT-Equipment, das für das Rechenzentrum benötigt wird. Dividiert man diese beiden erhält man das Verhältnis aus insgesamt verbrauchter Energie und speziell für die IT verbrauchte Energie. Je weiter sich der Quotient 1 annähert, umso energieeffizienter ist das Data Center.
Mit Bezug auf Auswertungen des Uptime Institutes bewegt sich der PUE eines durchschnittlichen Rechenzentrums im Bereich von 1,8 – 1,5. Mit der bei der Hartl Group eingesetzten Munters-OASIS-Lösung ist ein PUE unter 1,1 angestrebt. Dabei ist aber auch darauf zu achten, die Gesamtbetriebskosten so gering wie möglich zu halten. Es ist nicht zielführend, ein System auf einen niedrigen PUE hin zu trimmen und gleichzeitig schnellen die Gesamtbetriebskosten in die Höhe. In dem Projekt der Hartl Group wurde sehr darauf geachtet. Ich bin sicher, dass wir hier eine tolle innovative Lösung zur Klimatisierung von Rechenzentren geschaffen haben.
Welche besonderen Herausforderungen kamen beim Kühlkonzept für das Rechenzentrum der Hartl Group auf Sie zu?
Um den PUE und die Betriebskosten so gering wie möglich zu halten, war es erforderlich, auf unterstützende mechanische Kühlung zu verzichten. Mit unserer Lösung zur indirekten Verdunstungskühlung war dies möglich.
Das Kühlkonzept des neuen Rechenzentrums gilt als besonders innovativ und energieeffizient. Was ist daran so besonders?
Mit dem Munters-OASIS-System kann auf eine aufwendige und kostspielige Wasserenthärtung verzichtet werden. Der Kalk, der sich während des Verdunstungsprozesses am Wärmetauscher ablagert, löst sich von selbst und kann jederzeit auch während des Betriebs aus der Anlage entfernt werden. Der Wärmetauscher reinigt sich also von selbst!
Verdunstetes Wasser wird aus dem Brunnenwasser nachgespeist, nicht verdunstetes Wasser wird unter Berücksichtigung von Temperatur und Leitfähigkeit wiederverwendet.
Was ist das Prinzip hinter der Kühlung und wie funktioniert es?
Das Herzstück der Munters-Lösung ist der selbstreinigende Wärmetauscher. Munters verwendete früher auch Plattentauscher in Kombination mit der indirekten Verdunstungskühlung. Diese haben allerdings Nachteile wie Korrosion, Leckagen und Ablagerungen.
Das Resultat dieser Erfahrungen ist ein Polymer-Wärmetauscher, dessen Luftschläuche sich aufgrund der Luftbewegungen durch den Wärmetauscher im Microbereich dehnen und zusammenziehen. Dadurch fallen die bei der Wasserverdunstung auf der Wärmetauscheroberfläche entstehenden Kalkablagerungen in kleinsten Teilchen immer wieder ab.
Und diese Verdunstung sorgt für die Kühlung…
Ja, genau. Der Kühlprozess ist vergleichbar mit dem Kühleffekt bei nasser Haut. Wenn man nach dem Schwimmen aus dem Wasser steigt, wird einem schnell kalt. Das Wasser, das die Oberfläche der Haut benetzt, verdunstet. Dabei wird dem Blut, das auf der anderen Seite der Haut fließt, Wärme entzogen und man beginnt zu frieren. Beim Munters-Wärmetauscher wird die Außenseite des Wärmetauschers mit Wasser benetzt und über einen Außenluftventilator strömt Luft über die Außenseite. Während das Wasser an der Außenoberfläche verdunstet, wird der Rechenzentrumsluft, welche auf der Innenseite der Polymerschläuche strömt (das »Blut« in diesem Vergleich), Wärme entzogen.
Was unterscheidet die Lösung durch die Kühlung durch Außenluft?
Freie Kühlung durch Außenluft, sogenannte Frischluftsysteme, bringen Nachteile mit sich: Sie erfordern eine Feuchteregelung und hocheffiziente Luftfilterungsanlagen, da durch Stoffe wie Chloride und Sulfate in der Luft die Gefahr der »Serverkorrosion« besteht. Umwelteinflüsse wie Rauch, Staub und Gerüche könnten direkt in das Rechenzentrum gelangen.
Hitze ist ein weiteres Problem: Ab einer Außentemperatur von ~ 23 °C und mehr (abhängig von der gewünschten Einblastemperatur) muss sämtliche Kühllast mit mechanischer Kühlung abgedeckt werden. Bei sehr hohen Außentemperaturen wie wir sie letzten Sommer erlebt haben, kann dies auch kritisch für die mechanische Kühlung werden.
Die Folge: Enorm erhöhte Betriebskosten.
Bei Verwendung des OASIS-Systems sind die obig genannten Herausforderungen gelöst. Auch bei hohen Außentemperaturen (42 °C und mehr) beträgt die Eintrittstemperatur in den Kondensator der in das OASIS-System integrierten Kältemaschine nicht mehr als 30 °C. Zusammengefasst: Absolut sicherer Betrieb auch bei Extrembedingungen.
Das Rechenzentrum ist ja noch nicht fertig. Wird alles so laufen, wie berechnet und vorhergesagt? Oder rechnen Sie noch mit etwaigen Unabwägbarkeiten?
Aktuell liegen wir voll im Terminplan und die Kommunikation zwischen den einzelnen involvierten Gewerken ist sehr gut. Die einzige Unabwägbarkeit ist das Wetter. Aber dieser Unsicherheitsfaktor betrifft generell alle Projekte, denke ich…